Leibniz war kein Butterkeks by Salomon Lea; Schmidt-Salomon Michael

Leibniz war kein Butterkeks by Salomon Lea; Schmidt-Salomon Michael

Autor:Salomon, Lea; Schmidt-Salomon, Michael [Salomon, Lea; Schmidt-Salomon, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492953207
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


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»Unser Handeln sei getragen von dem stets lebendigen Bewusstsein, dass die Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Tun nicht frei sind, sondern ebenso kausal gebunden wie die Gestirne in ihren Bewegungen.« Der Mann, der dies sagte, hat unser Wissen über »die Gestirne in ihren Bewegungen« revolutioniert wie kein Zweiter: Albert Einstein (1879–1955). Im Unterschied zu Arthur Schopenhauer, der in der fehlenden Willensfreiheit des Menschen ein weiteres Indiz für die Trostlosigkeit der menschlichen Existenz sah (siehe S. 142), erkannte Einstein darin eine »unerschöpfliche Quelle« der Toleranz und des Humors. In seinem kurzen Text »Wie ich die Welt sehe« beschrieb der große Physiker seine Lebensphilosophie folgendermaßen: »Schopenhauers Spruch: ›Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will‹, hat mich seit meiner Jugend lebendig erfüllt und ist mir beim Anblick und beim Erleiden der Härten meines Lebens immer ein Trost gewesen und eine unerschöpfliche Quelle der Toleranz. Dieses Bewusstsein mildert in wohltuender Weise das leicht lähmend wirkende Verantwortungsgefühl und macht, dass wir uns selbst und die andern nicht gar zu ernst nehmen; es führt zu einer Lebensauffassung, die auch besonders dem Humor sein Recht lässt.«

Vermutlich wurde Einsteins humorvolle Interpretation des unfreien Willens von ebenso wenigen Menschen verstanden wie seine Relativitätstheorie. Im Grunde jedoch griff er bloß auf Gedanken zurück, die der niederländische Philosoph Baruch de Spinoza (1632–1677) bereits im 17. Jahrhundert formuliert hatte. In seiner »Ethik«, einem Buch, das noch heute durch die bestechende Präzision der Argumente beeindruckt, erläuterte Spinoza, dass die Menschen nur glaubten, sie seien frei, »weil sie ihrer Handlungen bewusst, der Ursachen aber, von denen sie bestimmt werden, unkundig sind«. Spinozas Fazit war klar: »Wer also glaubt, dass er nach freiem Entschluss des Geistes rede oder schweige oder irgend etwas tue, der träumt mit offenen Augen.«

Wer einer derartigen Einbildung unterliege, meinte Spinoza, der neige dazu, von sich selber bei Erfolg oder Niederlage entweder eine zu hohe oder zu geringe Meinung zu haben. Die Folgen davon seien Hochmut (Stolz) oder Kleinmut (Niedergeschlagenheit), beides Zeichen der »größten Unkenntnis seiner selbst«, die Neid und Niedertracht in der Gesellschaft hervorrufen und größten Schaden anrichten würden. Nur durch die Einsicht in die Naturkausalität (ursächliche Bestimmtheit aller Vorgänge in der Natur) könne sich der Mensch von derartig schädlichen Affekten befreien und ein zufriedenes, freudvolles, gerechtes Leben in Freiheit führen.

Unter »Freiheit« verstand Spinoza ganz nüchtern die Abwesenheit von Zwängen, welche »Unlust« in uns erzeugen, »Willensfreiheit« im Sinne einer »Freiheit von natürlichen Ursachen« gestand er weder dem menschlichen Geist noch »Gott« zu, den er mit dem »Naturganzen« gleichsetzte. Darüber waren die Vertreter der Religionen verständlicherweise alles andere als amüsiert: Schon 1656, Spinoza war zu diesem Zeitpunkt erst 23 Jahre alt, traf ihn der Bann der jüdischen Gemeinde Amsterdams. Die Rabbiner untersagten den Gläubigen jeden schriftlichen oder mündlichen Kontakt mit ihm. Auch die holländische Kirche blieb nicht untätig: 1674 erwirkte sie ein Verbot der anonym veröffentlichten, religionskritischen Schrift »Tractatus Theologico-politicus«. Wenig später landete das Gesamtwerk Spinozas auch auf dem katholischen Index der verbotenen Bücher. Noch im 20. Jahrhundert war der Hass auf Spinoza in gebildeten religiösen Kreisen weit verbreitet.



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